Wenn Frauen mit Schmerzen beim Sex zu kämpfen haben, sind sie oft sehr hart zu sich selbst. Zu den körperlichen Schmerzen, kommt noch das seelische Leid hinzu – in Form von Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen sowie Vermeidung vor zu viel Nähe und Intimität. Aus Angst, dass Intimität in Folge zu penetrativem Sex und damit zu Schmerzen führen könnte, gehen sie aus der Verbindung mit ihrem Partner und vermeiden jegliche Art der körperlichen Intimität.

Ich möchte bewusst machen, mit welchen Gedanken diese Frauen sich quälen und einen Auszug aus jenen Aussagen geben, die ich häufig in meiner Praxis höre:

„Ich funktioniere nicht richtig. Ich bin keine richtige Frau. Niemand sonst macht diese Erfahrung. Ich bin die Einzige, die Schmerzen beim Sex hat. Ich schätze das passiert einfach, wenn man älter wird. Mein Partner wird mich verlassen, weil wir keinen Sex mehr haben. Ich muss mich damit abfinden und die Schmerzen ertragen. Mein Arzt hat gesagt, ich bilde mir das nur ein. Man kann nichts dagegen tun, um das Problem zu beheben. Ich muss damit leben. Ich gehe lieber jeder Berührung aus dem Weg, damit mein Partner keine Lust auf Sex bekommt. Ich muss auf Intimität verzichten.“

So hört es sich also an, wenn unsere emotionalen Tyrannen, wie ich sie nenne, zu Besuch sind – unsere Feinde der Scham, Schuld, Selbstkritik, Verlegenheit und Selbstverurteilung. Unsere emotionalen Tyrannen, die uns das Leben schwer machen, mit denen wir uns aber eigentlich auch ganz wohl fühlen – es ist so einfach, sich selbst zu kritisieren und schuldig zu fühlen. Leider sind sie uns nur absolut nicht hilfreich, weil wir uns mit ihnen noch schlechter fühlen.

Scham und Selbstkritik führen zu Vermeidung von Intimität

Diese Kombination von destruktiven Gedanken und Gefühlen führt bei vielen Frauen dazu, dass sie in den Rückzug gehen, Intimität vermeiden und Berührungen aus dem Weg gehen. Sie sprechen weder mit ihrem Partner noch mit Freunden darüber und sind mit ihrer Scham und ihrem Schmerz auf sich allein gestellt. Sie lehnen ihren Körper ab, weil er anders ist und nicht „funktioniert“, wie sie es sich wünschen. Es entsteht eine Abwärtsspirale, in der die Verbindung zum Körper verloren geht und die Thematik weiter verstärkt wird.

Viele Frauen leiden im Stillen – sie nehmen die Schmerzen jahrelang hin oder sie vermeiden Sex und Intimität gänzlich. Es ist für betroffene Frauen ein großes Tabuthema und kaum jemand spricht darüber. Die Möglichkeiten für Hilfe sind häufig unbekannt, die Frauen fühlen sich mit der Schmerzthematik allein gelassen. Fakt ist, dass etwa 75% der Frauen irgendwann in ihrem Leben Schmerzen beim Sex haben. Bei einigen Frauen treten diese Schmerzen nur selten auf, während sie bei anderen chronisch werden und lange anhalten. Diese Schmerzen können viele verschiedene Ursachen haben.

Die Ursachen für Schmerzen beim Sex können in einem stark angespannten Beckenboden zu finden sein, was sich als Vaginismus äußern kann oder als Spasmen des Beckenbodens. Dabei können sich die Muskeln so stark anspannen und verkrampfen, dass ein Eindringen in die Vagina nicht möglich ist. Auch Dyspareunie oder Vulvodynie können für die Schmerzen verantwortlich sein. Die häufigste Ursache für Schmerzen ist ein Mangel an Gleitfähigkeit, der besonders bei Frauen in der späten Perimenopause und nach der Menopause auftritt. Es gibt noch eine Menge weiterer Ursachen, die ich an anderer Stelle gerne ausführlicher erläutere.

Was kannst du tun, wenn du Schmerzen beim Sex hast?

Worum es mir in diesem Beitrag vor allem geht, ist, dass Frauen ihre Stimme finden und sich trauen über ihre Schmerzen zu sprechen, Hilfe zu suchen und zu finden und den Zugang zur Intimität aufrechterhalten.

Was kannst du nun konkret tun, wenn du unter Schmerzen bei Sex leidest?

  • Es ist wichtig, dir selbst einzugestehen, dass du Schmerzen hast.
  • Mach dir bewusst, dass du damit nicht allein bist.
  • Sprich mit deinem Partner, Freunden und/oder anderen Vertrauenspersonen darüber.
  • Lasse deine Schmerzen medizinisch abklären, um sicher zu gehen, dass keine organischen Ursachen dafür verantwortlich sind.

Vielleicht hast du schon einiges probiert und bist entmutigt, weil nichts so richtig geholfen hat – dann lass dir bitte sagen, es gibt wirkungsvolle Möglichkeiten der Behandlung. Vielleicht hast du schon eine Psychotherapie versucht – diese sind allerdings meist sehr gesprächslastig und beziehen den Körper selten ein. Eine Schmerzsymptomatik lässt sich aber nicht einfach “weg”reden. Mit gezielten Körperübungen, wie ich sie in meiner Praxis anwende (z.B. die Beckenschaukel), kannst du jedoch zu einer schmerzfreien Sexualität finden.

Der Weg hinaus aus den Schmerzen und hin zur Intimität

Du bist wertvoll und du hast es verdient, den Sex zu haben, den du dir wünscht. Aber die Entscheidung, diesen Weg zu gehen, kannst nur DU treffen. Wenn du diesen Weg gehen möchtest und dich eine innere Stimme davon abhält, dann frage dich, WAS dich davon abhält, dich mit der Situation auseinanderzusetzen.

  • Was sind die Gedanken, die dich davon abhalten, die Hilfe zu bekommen, die du brauchst?
  • Was hindert dich daran, deine Bedürfnisse in den Vordergrund zu stellen?
  • Warum ignorierst du die Schmerzsignale, die dir dein Körper sendet?

Letztlich läuft es darauf hinaus, dass wir uns selbst nicht genug wertschätzen, wenn wir uns nicht die Priorität einräumen, die wir verdienen. Wie kommt es, dass es so schwierig ist, uns diesen wichtigen Stellenwert einzuräumen und unsere Bedürfnisse wahrzunehmen?

Während du über diese Fragen nachdenkst und überlegst, ob du diesen Weg gehen möchtest, nimm dir die Zeit und schaffe dir mit deinem Partner einen Raum der Intimität. Es ist wirklich wichtig, die Intimität in der Beziehung aufrechtzuerhalten. Es ist wichtig, dass du in den Berührungen und der sexuellen Begegnung mit deinem Partner Vergnügen und Genuss erlebst. Es gibt viele Möglichkeiten, sexuelle Befriedigung zu erleben, dabei muss es sich nicht unbedingt um penetrativen Sex handeln. Du kannst mit deinem Partner gemeinsam kreativ werden und alternative Spielarten finden, die euch beide Spaß und Vergnügen bereiten.

Sexualität ist nicht gleich Penetration

Die Gesellschaft suggeriert uns, dass Sexualität und Intimität nur gut und richtig sind, wenn es sich um penetrativen Sex handelt. ICH sage dir: Das ist nicht wahr! Du kannst großartige Intimität erleben und befriedigenden Sex haben, auch ohne Penetration.

Stelle dir diese drei Fragen – das sind die Schlüsselkomponenten, die sexuelle Intimität wunderbar machen:

Besteht eine Verbindung?
Empfindest du Befriedigung?
Gibt es Vergnügen?

Wenn du diese Fragen mit JA beantworten kannst, dann ist alles andere erstmal zweitrangig. Denn keiner dieser Faktoren Verbindung, Befriedigung und Vergnügen setzen eine Penetration voraus. Was es vielmehr braucht, ist Kommunikation und Kreativität. Du kannst Sexualität und Intimität für dich selbst so definieren, wie du das möchtest. Wichtig ist, dass du den Fokus erstmal von der Penetration nimmst, wenn sie im Moment nicht schmerzfrei für dich möglich ist. Ich meine damit nicht, dass du dich komplett davon abwenden sollst – du kannst dich aber angstfreier damit beschäftigen, wenn du auch andere Spielarten der Intimität und Sexualität genießen kannst. Und es wird dir helfen mit deinem Körper in Verbindung zu bleiben, dich zu spüren und zu wissen, was du brauchst und was dich befriedigt.

Denk daran: Es gibt kein Gesetz und kein Reglement, das dir sagt, wie befriedigender Sex auszusehen hat. Bewege dich möglichst frei in den Räumen der Intimität und Sexualität, genieße die Vielfalt der Möglichkeiten und sei kreativ!

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