Gute Freundschaften sind ein wichtiger Glücksfaktor und sie verlängern unser Leben. Ich schreibe diesen Beitrag, weil mir Freundschaften wirklich wichtig sind und weil ich mich in der Arbeit mit meinen KlientInnen häufig mit Fragen zu freundschaftlichen Beziehungen beschäftige. In den letzten Tagen habe ich mich intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, welche Bedeutung Freundschaften in MEINEM Leben haben und was ich dafür tue, um sie zu pflegen und aufrecht zu erhalten.
Es fällt mir seit jeher leicht, auf Menschen zuzugehen, mit ihnen Kontakt aufzunehmen und in Verbindung zu bleiben. Ich liebe es, mich mit Menschen zu vernetzen, Gedanken auszutauschen und in Gesprächen in die Tiefe zu gehen. Spannend als ich kürzlich gelesen habe, dass nur 10% unserer Kontakte zu echten Freundschaften werden – und ich habe mich gefragt, was es konkret ist, was uns mit manchen Menschen in losem Kontakt verbleiben lässt und mit anderen eine echte und tiefe Verbindung einzugehen.
Freundschaft – was bedeutet das eigentlich für mich?
Freundschaft bedeutet für mich Herzensverbindung – ein tiefes Verbundenheitsgefühl und gegenseitiges Vertrauen. Es bedeutet, sich ehrlich zu zeigen, mit all seinen Gefühlen, Emotionen und Bedürfnissen – auch angenommen zu werden in all seinen Unzulänglichkeiten. In freundschaftlichen Beziehungen kann ich entspannt SEIN.
Ich möchte mich auf meine Freunde verlassen können – weil ich die Sicherheit habe, dass sie Versprechen einhalten und zu dem stehen, was sie sagen. Ja, das ist mir wirklich wichtig. Ich möchte mir nicht ständig die Frage stellen, ob HEUTE noch das gilt, was wir GESTERN vereinbart haben. Das heißt natürlich nicht, dass wir unsere Meinung nicht ändern dürfen oder sollen, wenn für uns etwas nicht mehr stimmig erscheint – jedoch in dem Bewusstsein, was wir möglicherweise bei unserem Gegenüber damit auslösen. Freundschaft bedeutet auch, in Konfliktsituationen in Verbindung zu bleiben und nicht aus dem Kontakt zu gehen – Wut auszudrücken, wenn wir ärgerlich oder wütend sind – verzeihen zu können und versöhnlich zu sein.
Warum gelingt es uns mit manchen Menschen so leicht in einer Herzensverbindung zu bleiben, Vertrauen aufzubauen und uns fallen zu lassen, während es mit anderen immer wieder zu Konflikten kommt, in denen wir aus dem Kontakt gehen und die unser Vertrauen erschüttern lassen? Wir sehnen uns doch nach tiefen Verbindungen, in denen wir ganz wir selbst sein können, und dennoch halten die Hälfte unserer Freundschaften nicht länger als sieben Jahre.
Freundschaften brauchen Beziehungspflege
Wie können wir also gegenlenken und Freundschaften auch über viele Jahre hinweg lebendig aufrechterhalten – vielleicht sogar ein Leben lang? Eines vorneweg: Ja, es gibt sie – lebenslange Freundschaften – allerdings nicht umsonst. Genauso wie in einer Partnerschaft brauchen auch Freundschaften Beziehungsarbeit – oder sagen wir Beziehungspflege, denn „Arbeit“ klingt einfach so anstrengend. Freundschaften brauchen also Pflege, damit sie unsere unterschiedlichen Lebensphasen gut überstehen können. Denn besonders wenn unsere Freundschaften lange andauern, ist es nur natürlich, dass wir uns im Laufe der Zeit immer mal wieder „auseinander bewegen“. Das kann unterschiedliche Gründe haben – wie Interessen, Hobbies und Werte, die sich mit der Zeit verändern. Partnerschaften und andere Freunde, die nicht miteinander harmonieren oder ein unterschiedlicher Lebensstil. Wichtig sind jedoch die GEMEINSAMKEITEN, die uns verbinden.
Gute Freude sind unsere “Wahlverwandten”
Der Berliner Diplom-Psychologe, Psychotherapeut und Freundschaftsforscher Dr. Wolfgang Krüger weiß, gute Freunde sind aus demselben Holz geschnitzt – Sympathie, Interessen und Humor spielen von Anfang an eine Rolle genauso wie Faktoren, die wir nicht mit freiem Auge sehen können, wie unsere Genetik. Die DNA von guten Freunden ähnelt sich in der Art als wären wir Cousins oder Cousinen vierten Grades. Sie sind also unsere „Wahlverwandten“ – wir haben mit ihnen einen ähnlichen Blick auf unsere Umwelt, auf Situationen und Erfahrungen. Oft brauchen wir dann keine Worte, es reicht vielleicht schon eine Geste oder ein Blick, um uns gegenseitig zu verstehen.
Wir suchen uns Menschen als unsere Freunde aus, bei denen wir instinktiv spüren, dass wir uns ihnen öffnen können, von denen wir denken, dass sie zuverlässig sind, die herzlich mit uns in Kontakt sind und auf einer ähnlichen Humorwelle schwingen. Mir persönlich ist es auch wichtig, Entspannung in meinem Körper wahrnehmen zu können, wenn ich mit meinen Freunden in Kontakt bin. Und ich möchte auch richtig streiten können – ja, es dürfen auch mal „die Fetzen fliegen“ – und keine Angst haben, dass mein Gegenüber aus dem Kontakt geht. Vielleicht für einen Moment – aber ich möchte die Sicherheit spüren, dass es trotzdem in Ordnung ist und wir wieder zueinander finden werden.
„Freundschaft ist eine Tür zwischen zwei Menschen. Sie kann manchmal knarren, sie kann klemmen, aber sie ist nie verschlossen.“
Baltasar Gracián y Morales
Freundschaften lebendig aufrechterhalten
Vielleicht gehörst du zu jenen Menschen, die sich tiefere Verbindung und beständige Freundschaften wünschen, aber nie so recht über ein paar lose Kontakte hinauskommen oder deren Freundschaften sich nach einiger Zeit im Sand verlaufen.
Ich möchte dir ein paar konkrete Tipps geben, die sich für mich bewährt haben, in meinen eigenen Freundschaften wie auch in der Arbeit mit meinen KlientInnnen.
1. Beständigkeit
Ein wichtiger Faktor für den Erhalt von Freundschaften ist ZEIT. Freundschaften entwickeln sich nicht von heute auf morgen – sie hängen davon ab, wie lange ihr euch schon kennt und wie viel Zeit ihr miteinander verbracht habt.
Beständigkeit im Kontakthalten ist eine Voraussetzung dafür, dass eure Freundschaft wachsen kann. Nimm immer wieder mal aktiv zu deinen Freunden Kontakt auf – lass es nicht einseitig geschehen. Einfach ein kurzes Lebenszeichen von sich geben, ein Nachfragen, was sich im Leben des anderen tut. Es tut einfach gut zu wissen, dass sich deine Freunde für dich interessieren und an dich denken.
2. Zuverlässigkeit & Vertrauen
Ein ebenso wichtiger Faktor für das Funktionieren einer Freundschaft ist deine Verlässlichkeit, eng verbunden mit Vertrauen. Wenn du etwas vereinbart hast, wenn ihr gemeinsam Pläne geschmiedet habt, dann halte dich daran. Ich meine damit nicht nur Verabredungen, sondern auch tiefergehende Vereinbarungen, wie z.B. die Art und Weise wir ihr mit Konflikten umgehen wollt. Es kann das Vertrauen in die Beziehung ordentlich ins Wanken bringen, wenn ihr etwas vereinbart habt, was in einer Konfliktsituation nicht mehr hält.
Verlässliche Freundschaften lassen uns in die Entspannung kommen, weil wir uns nicht dauernd fragen müssen, ob die Vereinbarungen von gestern, heute noch aktuell sind. Wenn du ein Versprechen zurückziehen willst, wäge ab und sei dir bewusst, dass es auch mit einem Gegenüber etwas macht.
3. Bewerte nicht voreilig – oft sind es nur unsere eigenen „Stories“
Manchmal kommt es eben doch vor, dass Versprechen nicht eingehalten werden können, auch wenn wir noch so achtsam sind. Wenn dich das ärgerlich oder wütend macht, dann mache dir bewusst, dass das Nicht-einhalten eines Versprechens vielleicht (ziemlich wahrscheinlich sogar) nichts mit dir persönlich zu tun hat. Halte dich daher mit voreiligen Bewertungen zurück.
Viele unserer Bewertungen entstehen aus unserer eigenen Lebensgeschichte heraus, aus unseren Erfahrungen und Verletzungen. Wir erzählen uns dann häufig irgendwelche „Stories“ – warum das jetzt so gelaufen ist, ohne wirklich zu wissen, was dahintersteckt. Wir richten diese „Stories“ dann auch oft gegen uns selbst – vielleicht in der Art, dass wir glauben, die Aufmerksamkeit nicht wert zu sein und wir fühlen uns abgelehnt. Versuche dennoch, nicht zu schnell zu bewerten und deinen Fokus auf etwas Positives zu lenken.
4. Ehrlichkeit & Einstimmung
Ehrlich über Bedürfnisse, Gefühle und Befindlichkeiten zu kommunizieren ist ein sehr wichtiger Aspekt in Freundschaften. Nur so gibst du deinem Gegenüber die Möglichkeit, sich auf dich einstimmen zu können. Gib nicht vor, jemand anderes zu sein oder cool mit einer Situation umgehen zu können, wenn es nicht so ist. Ein guter Freund wird in der Lage sein, sich auf dich einzuschwingen.
Gegenseitige Einstimmung braucht es in Freundschaften ständig. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass eure Wünsche und Bedürfnisse die ganze Zeit im Einklang sind. Es bedarf daher Rücksichtnahme und Achtsamkeit, so dass ihr einen Konsens findet und Situationen für euch beide stimmig gestalten könnt.
5. Lasse deine Freunde an deinem Leben teilhaben
Ein guter Freund zu sein, bedeutet, da zu sein, zu unterstützen und zuhören zu können. Es bedeutet aber auch, dass DU von DIR etwas preisgibst, nach Hilfe fragst und dich unterstützen lässt. Gute Freunde begegnen sich auf Augenhöhe – jeder möchte mal in der Rolle des Gebenden und mal in der Rolle des Nehmenden sein. Freunde, die immer nur geben und nie nehmen, hinterlassen oft ein Gefühl einer Schieflage in der Beziehung. Sie vermitteln das Gefühl, dass wir nichts für sie tun können – langfristig entsteht eine Einseitigkeit, die wir auf Dauer nicht tragen wollen.
Auch wenn es am Anfang schwerfällt und du dich damit verletzlich machst, versuche dich zu öffnen, erzähle etwas von dir und bitte ruhig auch mal um Unterstützung. Das bringt eure Freundschaft auf Augenhöhe und gleichzeitig in die Tiefe.
6. Nimm dir Zeit für deine Freunde
Auch wenn wir uns in einer schnelllebigen Zeit befinden und Zeit ein kostbares Gut ist – Freundschaften sind ebenso kostbar! Gemeinsame Erlebnisse und Erfahrungen schweißen zusammen und vertiefen die Freundschaft. Nimm dir also Zeit für deine Freunde. Habt Spaß, seid abenteuerlustig oder einfach entspannt miteinander. Schaut nicht dauernd auf die Uhr – sondern genießt den gemeinsamen Moment.
Du siehst also, es gibt eine Menge, was du tun kannst, um deine Freundschaften tief, lebendig und langfristig zu gestalten. Auch wenn dir nicht immer alles leichtfallen wird, du kannst zumindest mit ein paar der oben genannten Punkte anfangen.
Und denk daran – auch wenn es mal so richtig kracht, könnt ihr wieder in Verbindung gehen. Vielleicht nicht sofort, weil dein Gegenüber länger braucht, um wieder in Kontakt zu gehen und mehr Raum braucht als du – aber gute Freundschaften überstehen das!
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