Viele Männer verspüren beim Sex hohen Leistungsdruck. Sie haben die Vorstellung, dass sie „abliefern“ müssen und ihre Leistung geprüft und bewertet wird. Diese Leistungsdenken führt dazu, dass Männer beim Sex selbstkritisch, angespannt und ängstlich sind. Das schmälert nicht nur die Lust am Sex, sondern kann genau zu den sexuellen Problemen führen, vor denen sie Angst haben: Erektionsstörungen, vorzeitige Ejakulation oder Schwierigkeiten beim Orgasmus. Das sind auch die häufigsten Themen, weshalb Männer meine Praxis aufsuchen.
Wenn wir unsere „Leistung“ während des Tuns bewerten, führt das in der Regel dazu, dass genau diese Leistung darunter leidet. Das gilt für alle sozialen Ängste: bei Auftritten auf der Bühne, Sprechen vor einer Gruppe… oder eben beim Sex. Wir beobachten und bewerten uns selbst und machen uns Gedanken darüber, wie die andere Person auf uns reagiert und was wir besser machen könnten. Wir sind im Kopf und bei unseren Gedanken und nur sehr wenig in der Präsenz und im Spüren.
Der Leistungsdruck beim Sex und die daraus resultierenden Probleme lassen einen Teufelskreis entstehen – eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Doch wie findet Mann aus diesem Teufelskreis heraus?
Vom Leistungssex zum Sexspiel
Ihr könnt den Sex sowohl entspannt und locker angehen als auch unter Druck und Leistungsgedanken. Im Idealfall geht ihr neugierig und verspielt an die Sache heran – so wie Kinder beim Spielen. Ihr nehmt euch Zeit und Raum, begegnet euch im Moment und experimentiert mit Berührungen. Die Penetration und der Orgasmus sind dabei nicht die einzigen Ziele. Klappt etwas nicht, wie ihr euch das vorgestellt habt, ist es kein Fehler oder gar Versagen – es ist nur ein Umweg. Diese Umwege sind oft sehr bereichernd, weil wir auf diesen Wegen Dinge entdecken können, die uns sonst versagt geblieben wären.
Ein lieber Freund hat mal Folgendes gesagt: Sex ist vergleichbar mit einer Wanderung auf einen Berg. Gehe langsam und genieße jeden Schritt, betrachte den wunderschönen Ausblick und gönne dir ausreichend Pausen. Vielleicht möchtest du zwischendurch auf einer Bank Platz nehmen und innehalten. Manchmal kommst du schneller zum Gipfel und an andermal langsamer. Und manchmal beschließt du auf halber Strecke umzukehren und den Gipfel an einem anderen Tag zu erklimmen.
Achtsame Präsenz – bleibe im Moment, spüre deinen Körper! Achtsam sein heißt den gegenwärtigen Moment bewertungsfrei und bewusst wahrzunehmen. In der Sexualität bedeutet Achtsamkeit, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf alle oder einige der angenehmen Empfindungen richten. Achtsame Präsenz bedeutet auch, dass wir uns von allen bewertenden oder beunruhigenden Gedanken und Gefühlen distanzieren und sie wie unwichtige Geräusche im Hintergrund behandeln.
Achtsame Präsenz bei der Masturbation
Achtsame Präsenz braucht Übung! Vielleicht hast du dich schon so sehr daran gewöhnt, dich selbst zu bewerten und dir Sorgen zu machen, dass es gar nicht so einfach ist, den Kopf auszuschalten. Setze dich also nicht erneut unter Druck, indem du anfängst zu bewerten, wie gut du schon im Moment sein kannst. Übe ohne Druck – zuerst mit dir selbst – und achte dabei auf folgende Punkte.
- Achte auf deine Atmung. Atme langsam und tief, bis in das Becken hinunter, und spüre, wie sich dein Atem in deinem Körper ausbreitet.
- Löse Muskelverspannungen. Scanne deinen gesamten Körper nach Muskelverspannungen und lockere einen Bereich nach dem anderen. Das ist wichtig, da Anspannung und Angst oft zu sexuellen Funktionsstörungen (erektile Dysfunktion, vorzeitiger Samenerguss und fehlender Orgasmus) führen können.
- Spüre deine Empfindungen. Fokussiere vor allem auf die angenehmen Empfindungen – Berührung, Anblick, Klang, Geruch und Geschmack – und die angenehmen Gefühle – Erregung, Zuneigung, Genuss – die du im Körper wahrnimmst. Beziehe alle Bereiche des Körpers ein und spiele mit unterschiedlichen Berührungsqualitäten.
- Variiere Bewegung und Rhythmus. Variiere mit langsamen und schnellen Bewegungen und Rhythmen. Beziehe in deine Bewegungen vor allem das Becken ein – mit Schaukel- und/oder Kreisbewegungen. Variiere auch in den Stellungen, in denen du dich selbst befriedigst.
Achtsame Präsenz in der Paarsexualität
Hast du die Übungen zur körperlichen Entspannung, achtsamen Präsenz und zum Fokussieren auf angenehme Empfindungen bereits verinnerlicht? Dann ist es an der Zeit mit deiner Partnerin/deinem Partner zu üben.
- Kommuniziert miteinander. Idealerweise sprichst du mit deiner Partnerin/deinem Partner darüber, dass du an der Überwindung eines Problems arbeitest. Sag ihr oder ihm, dass es wichtig ist, langsam vorzugehen, sich gegenseitig zu unterstützen und sich auf die gesamte Erfahrung der Lust zu konzentrieren, nicht nur auf den Geschlechtsverkehr.
- Fokussiert auf angenehme Gefühle und Empfindungen. Wenn ihr zu üben beginnt, konzentriert euch auf sinnliche, nicht-genitale Berührungen, so dass kein Druck entsteht, eine Erektion zu bekommen oder aufrechtzuerhalten. Ihr könnt abwechselnd Lust schenken und empfangen. Fokussiert während des Gebens oder Empfangens ganz auf die angenehmen Empfindungen und Gefühle, die ihr erlebt und schaltet selbstkritische Gedanken aus. Es spielt keine Rolle, was dein Penis tut oder nicht tut! Richte deine Aufmerksamkeit auf das Vergnügen.
- Genießt den Sex mit allen Sinnen. Nach und nach können die Berührungen auch wieder sexueller werden. Bleibe aber immer in der Haltung, dass Geschlechtsverkehr und Orgasmus nicht im Mittelpunkt stehen. Nutze die Potenziale des eigenen Körpers und erlebe den Sex mit all deinen Sinnen – riechen, schmecken, tasten, fühlen, hören und sehen.
- Bleibt in Kontakt miteinander. Sprecht offen über die Gefühle und Empfindung, die ihr in euren gemeinsamen sexuellen Erfahrungen erlebt. Das bringt euch näher zusammen und stärkt die konstruktive Einstellung, dass Sexualität auch dann angenehm ist, wenn nicht alles perfekt läuft, solange ihr euch auf das Vergnügen konzentriert.
Vergesst den Spruch: „Mann kann immer!”
Das ist ein Mythos, der sich leider immer noch hält. Die Identität vieler Männer ist immer noch stark mit ihrer Erektion verbunden. Oft gehen Männer in den Rückzug, sprechen nicht mit ihrer Partnerin/ihrem Partner über sexuelle Funktionsstörungen. Die Scham darüber verschlimmert das Problem weiter. Dabei liegt gerade in dieser Problematik ein großes Potenzial, das eigene Sexualverhalten zu reflektieren und sich neu zu entdecken – raus aus dem Kopf und wieder mehr im Körper anzukommen. Die Achtsamkeit, die du in deiner Sexualität entwickelst, wird dir auch in anderen Lebensbereichen positive Veränderungen bringen.
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