Drei Wochen ist es nun her, da hatte ich in meiner Selbsterfahrung-Sitzung ein intensives Erlebnis, das mich mit den Themen emotionale Abhängigkeit und Verlustangst auf einer tieferen Ebene in Kontakt gebracht hat. Es hat mich nicht nur verstehen, sondern auch spüren lassen, und mich damit in eine starke Verbindung mit meinem inneren Kind und meinem Selbst gebracht. Die Sitzung endete mit meiner Frage: “Wie soll eine Beziehung das tragen können?”

Emotionale Abhängigkeit – ein vielschichtiges und wichtiges Thema. Und weil es mir so häufig in meiner Praxis begegnet und ganz aktuell auch ein persönliches Herzensanliegen von mir ist, schreibe ich heute etwas dazu.

Was bedeutet emotionale Abhängigkeit?

Emotionale Abhängigkeit bedeutet gefühlsmäßig von jemanden abhängig zu sein. Je nachdem wie ausgeprägt die emotionale Abhängigkeit ist, kann sie viel Kraft kosten und ungesunde Folgen haben.

Mit Sicherheit kennen wir alle Menschen, die mehr oder weniger stark ausgeprägte Tendenzen von emotionaler Abhängigkeit zeigen und wir haben sie wahrscheinlich auch bei uns selbst schon wahrnehmen können.

Die emotionale Abhängigkeit kann in jeder Form der Beziehung entstehen – in Partnerschaften, Freundschaften, aber auch in Therapeuten-Klienten-Beziehungen.

Verlustangst

Woran erkennst du emotionale Abhängigkeit?

Wenn du emotional von jemanden abhängig bist, dann kann sich das in übermäßig starken Emotionen und Empfindungen zeigen.

  • Du empfindest starke Verlustängste.
  • Du hast Angst vor dem Verlassenwerden.
  • Du möchtest es dem anderen in allen Belangen recht machen.
  • Du hast ein ausgeprägtes Bedürfnis danach, gebraucht zu werden, und vom anderen als wichtig gesehen werden.
  • Du bist innerlich alarmiert und empfindest Angst und Schmerz, wenn sich der andere entfernt.
  • Du drückst deinen Ärger und deine Wut der anderen Person gegenüber nicht aus, aus Angst, sie zu verlieren.
  • Du entwickelst einen Kontrollzwang.
  • Du empfindest starke Eifersucht.

Es ist nicht bedenklich, wenn du dir wünschst, dass dich dein Gegenüber wahrnimmt und wertschätzt. Es ist vielmehr die Ausprägung der oben genannten Emotionen und Empfindungen, die dir zeigen, dass eine emotionale Abhängigkeit bestehen kann.

Wenn du emotional abhängig bist, fokussierst du dich gedanklich und emotional stark auf die andere Person. Du hältst eigene Bedürfnisse, Emotionen und Meinungen zurück, um die Verbindung nicht zu verlieren. Du willst es dem anderen um jeden Preis recht machen – auch wenn das nur bedingt gelingt – und darüber Sicherheit und Geborgenheit erlangen. Diese Suche nach Sicherheit und Bestätigung führt zu einem hohen Maß an Kontrolle. Meist leiden Menschen, die sich in emotionaler Abhängigkeit befinden, selbst sehr unter der Fokussierung auf den anderen.

Warum gelangen wir so leicht in emotionale Abhängigkeit?

Wenn wir auf die Welt kommen, dann befinden wir uns – vor allem in den ersten Lebensjahren in Abhängigkeit. Als Kinder sind wir weder körperlich noch emotional in der Lage, für uns selbst zu sorgen – wir sind von unserer Bezugsperson abhängig. In dieser wichtigen Zeitspanne können wir nicht abschätzen, ob unsere Bedürfnisse erfüllt werden, wir verstehen nicht, weshalb wir uns allein gelassen fühlen oder unsere Bezugsperson emotional gerade nicht zur Verfügung steht.

Diese Abhängigkeit, die wir als Kinder erleben, ist naturgegeben und gesund. Wir sind auf die Bezugsperson ausgerichtet und legen im Gehirn eine Bahnung der Abhängigkeit an, die im gesunden Maße zu einer starken Bindungsfähigkeit führt. Kinder, die in einer sicheren Bindung zur Bezugsperson aufwachsen und sich nicht im Mangel befinden, fühlen sich verbunden und versorgt. Erst ab dem 13. Lebensjahr wird diese starke Ausrichtung auf die Bezugsperson von Autonomie abgelöst

Kinder sind auf das Feedback der Bezugsperson angewiesen, weil sich daraus ihr Selbstwert, ihr Selbstbild und ein Gefühl der Identität zu entwickeln beginnt. Ist die Bezugsperson selbst traumatisiert und steht emotional nicht zur Verfügung, dann erleben Kinder die Bezugsperson als nicht zuverlässig verfügbar. Da sich Kinder in totaler Abhängigkeit befinden und ihre Bedürfnisse nicht selbst stillen können, erleben sie sich dann in großer Not, Angst und Hilflosigkeit. Diese Kinder entwickeln eine ganz eigene Überlebensstrategie.

Die Überlebensstrategie unsicher-gebundener Kinder

Diese Überlebensstrategie von unsicher-gebundenen Kindern besteht darin, sich mit der Aufmerksamkeit vollkommen auf die Bezugsperson auszurichten. Sie sind in der Lage zu spüren, ob die Bezugsperson verfügbar und präsent ist. Sie entwickeln somit eine Feinfühligkeit, die sich ganz nach außen auf die Bezugsperson richtet – sie haben feine Antennen dafür, ob sie sich an die Bindungsperson wenden können oder nicht. Es sind für das Überleben notwendige Verhaltensstrategien, die das Kind entwickelt. Und so erfährt es mehr und mehr, dass es nur dann Sicherheit und Geborgenheit bekommen kann, wenn es mit der ganzen Energie und Aufmerksamkeit im Außen ist.

Wenn wir als Kinder diese Art der unsicheren Bindung erlebt haben, dann entwickeln wir oft die Fähigkeit, sich in andere Menschen gut einfühlen zu können und mit unserer Aufmerksamkeit ganz bei ihnen zu sein. Die Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass wir uns dann oft selbst nicht gut spüren. Ein Verlust der Selbstwahrnehmung ist die Folge. Vielleicht kennst du das, wenn du dir sagst „nur wenn ich jemanden anderen spüre, spüre ich, dass ich in Sicherheit bin.“

Die Suche im Außen nach Sicherheit

Sind wir mit dieser Bindungsdynamik aufgewachsen, dann setzen wir diese auch meist als Erwachsene in unseren Beziehungen fort. Wir suchen dann im Außen nach jemanden, der diese Wunde heilt. Diese Suche – dieser Wunsch nach Bestätigung, Geborgenheit und Nähe, ist jedoch nicht gesund – denn sie ist von einer anderen Person abhängig. Wir wenden uns mit unseren Bedürfnissen nach außen, um die schmerzhaften Gefühle in uns nicht spüren zu müssen.

Nebenbei gesagt, Menschen, die in der Kindheit keine sichere Bindung erfahren haben, suchen nicht immer nur tiefe Nähe und Verbindung zu anderen. Genauso gut, können sie sich zu einem bindungsarmen Menschen entwickeln – also Bindungen vermeiden, um keine Gefühle der Abhängigkeit zu spüren. Sie schützen sich vor tiefer Bindung und bleiben möglichst unverbindlich und flüchtig im Kontakt. Es fällt ihnen schwer, ein echtes Commitment zu Menschen einzugehen.

Genau diese bindungsvermeidenden Menschen sind auch oft die größten Trigger für Menschen, die emotionale Abhängigkeit und Verlustängste erleben – da die Angst vor dem Unverbindlichen und Aus-dem-Kontakt-gehen, ständig befeuert wird. Und auch jene, die in einer Retter- oder Heiler-Energie auftreten, sind für Menschen, die sich in emotionaler Abhängigkeit zu dieser Person befinden, eine große Herausforderung. Sie begegnen ihnen nicht auf Augenhöhe und damit bringen sie ihnen nicht die Art von Aufmerksamkeit und Wertschätzung entgegen, nach der sich die Person in der emotionalen Abhängigkeit so sehr sehnt. Menschen in der Retter/Heiler-Energie nähren außerdem die emotionale Abhängigkeit, wenn diese Dynamik nicht erkannt und transformiert wird.

Emotionale Bindung

Wie du dich von emotionaler Abhängigkeit befreien kannst

Die gute Nachricht ist, es gibt einen Weg hinaus aus der emotionalen Abhängigkeit. Dieser führt über dein Bewusstsein. Sobald dir bewusst ist, dass du emotional abhängige Muster lebst, kannst du eine Abzweigung auf deinem Weges nehmen. Oft wird emotionale Abhängigkeit mit Liebe, Sorge oder inniger Verbundenheit verwechselt – aber es ist wichtig, genau hinzuspüren, ob du die Liebe und Verbundenheit als frei und leicht erlebst oder als belastend und abhängig.

Wenn du das Muster erkannt hast, geht es darum, die versehrten Anteile zu versorgen. Du kannst mit deinem inneren Kind arbeiten, dich ihm liebevoll zuwenden und mit Wohlwollen begegnen, immer wieder nach innen schauen.

Wann immer dich ein Gefühl von Angst vor dem Verlust oder dem Verlassenwerden beschleicht, wende dich deinem inneren Kind zu – beobachte und nimm wahr. Tritt einen Schritt zurück und frage dich, von welcher Ebene diese Gefühle kommen.

  • Kommt das Gefühl aus deinem Selbst oder von deinem inneren Kind?
  • Aus welcher Zeit stammt dieses Gefühl?
  • Kommt die Angst aus dieser oder aus einer vergangenen Situation?

Wenn du dir diese Fragen stellst, dann nimmst du einen anderen Blickwinkel ein. Du gehst auf Abstand, ohne dich von dem Gefühl abzuschneiden. Damit gelingt dir eine Distanzierung und du begibst dich in die forschende Position – am besten, ohne zu verurteilen oder zu bewerten.

Es ist wichtig, ein Selbstbild zu kreieren, das beinhaltet, dass du aus deinem inneren Sein stark und sicher genug bist, ein freies und unabhängiges Leben zu führen.

Du möchtest dich von deiner emotionalen Abhängigkeit befreien und lernen deinen Fokus auf dein Inneres zu richten? Dann buche jetzt deine Session für Beziehungscoaching & Lebensberatung.

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